Im Jahr 2009 hat das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst ein Programm zur Förderung der geisteswissenschaftlichen Forschung in Sachsen begründet. Mit der wissenschaftlichen Begutachtung der Projekte ist die Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig betraut. Das in diesem Rahmen geförderte Projekt "Sakralbauten in der Moderne. Gemeindlicher Kirchenbau in der Zeit beschleunigter Urbanisierung als 'eigensinniger' Prozess (ca. 1880–1930)" stellt im Akademie-Kolloquium am 25. Mai 2012 seine Arbeit vor.
Sakralbauten in der Moderne (ca. 1880–1930):
eine Arena pluraler Interessen
Prof. Dr. Michaela Marek
Einführung: Zum Problem des modernen Architekturbegriffs
am Beispiel des Kirchenbaus
Fanny Stoye, M.A.
Der Pfarrkirchenbau um 1900: Akteure und ihre Interessen
Dr. des. Dipl.-Soz. Uta Karstein
Zwischen Unterstützung und Belehrung: der Beitrag christlicher
Kunstvereine zum Kirchenbau im 19./20. Jahrhundert
Philipp Rinn, M.A.
Gotik in der Kirchenbaudebatte der Zwischenkriegszeit:
Ambivalenzen in der Anpassung an die Moderne
Pfarrkirchen aus dem späten 19. und dem frühen 20. Jahrhundert rangieren
im Kunsturteil nicht sehr hoch: handelt es sich doch bis zum Auftreten
inspirierter Modernisten wie Dominikus Böhm oder Rudolf Schwarz
vermeintlich um traditionsverhaftete Serienproduktion von begrenzter
künstlerischer Originalität, der man allenfalls „malerische“ Qualitäten
im Stadtbild zugestehen mag. Tatsächlich fällt diese Baugattung auch
durch die Maschen der kunsthistorischen wissenschaftlichen Kanonbildung,
die vor allem auf Innovation und auf Souveränität des Künstlers
gründet.
Das Forschungsprojekt „Sakralbauten in der Moderne.
Gemeindlicher Kirchenbau in der Zeit beschleunigter Urbanisierung als
‚eigensinniger’ Prozess (ca. 1880–1930)“ am Institut für Kunstgeschichte
der Universität Leipzig fokussiert demgegenüber gerade die
Eingebundenheit der Baugattung in die komplexen soziokulturellen
Aushandlungsprozesse der Jahrzehnte um 1900. Es fragt nach den
Beteiligten, ihren keineswegs immer kongruenten Interessen und der
Reichweite ihrer Mitsprachekompetenzen. Dazu gehören neben den
entwerfenden Architekten die Gemeinden als Bauherren, amtskirchliche
Instanzen, städtische Behörden, eingeladene oder auch selbstberufene
Experten und Berater, oft einschlägig aktive Vereine. Welche
Vorstellungen von Sakralität, Gemeinde, Kirche in einer ‚modernen’
städtischen Gesellschaft brachten die Akteure in die Auseinandersetzung
ein? Welche religiösen und außerreligiösen Positionierungen werden darin
fassbar? Wie regelte man Konflikte, wie führte man Konsens herbei? Die
Ergebnisse des Projektes lassen ein differenzierteres Bild des
Stellenwerts von Religion und sakraler Architektur in der Kultur der
einsetzenden Moderne erwarten. Nicht zuletzt versprechen sie – über das
konkrete Thema hinaus – Impulse für eine Revision des
Architekturbegriffs jenseits solitärer Denkmäler.
Mit anschließender Diskussion.
Interessenten sind herzlich willkommen.
weitere Informationen zum Projekt: www.gko.uni-leipzig.de/kunstgeschichte
Einladung