Wissenschaftler aus Indien, Deutschland, England, Frankreich,
Österreich, den USA und Australien kommen von Donnerstag bis Samstag in
der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig zusammen – zu
einer Tagung über eines der interessantesten Werke der Weltliteratur:
die indische Tier-Erzählsammlung Pañcatantra.
Anlässlich
des 60. Jahrestages der diplomatischen Beziehungen zwischen Indien und
Deutschland hat die indische Regierung ein Programm „Days of India:
Connecting Cultures“ aufgelegt, in dessen Rahmen zahlreiche kulturelle
und wissenschaftliche Veranstaltungen stattfinden. Dazu zählt auch die
internationale wissenschaftliche Tagung „The Pañcatantra across Cultures
and Disciplines", die der Indian Council of Cultural Relations (ICCR)
gemeinsam mit dem Institut für Indologie und Zentralasienwissenschaften
der Universität Leipzig und der Sächsischen Akademie der Wissenschaften
zu Leipzig veranstaltet. Ihr Gegenstand ist die Geschichte und
Verbreitung der indischen Tier-Erzählungssammlung Pañcatantra.
Entstanden
ist diese um etwa 200 u.Z. als Lehrtext für junge Prinzen. Mit dem
Ziel, am Beispiel von Geschichten, in denen Tiere als handelnde Personen
auftreten, Verstand und Urteilsfähigkeit zu schulen, hat sie im Laufe
ihrer jahrhundertealten Geschichte mehr Übersetzungen und Adaptionen
erfahren als die Bibel und ist bis heute das meist übersetzte Werk der
Weltliteratur.
Das Pañcatantra gelangte um 500 n.Chr. durch persische, altsyrische
und arabische Übersetzungen in den Mittelmeerraum und hat von dort –
vielfach vermittelt durch die arabische Übersetzung des Ibn Moqaffa, das
Kalila wa Dimna – seinen Weg in die Literatur der meisten europäischen
Länder gefunden und vor allem die Fabeldichtung und das Genre des
„Fürstenspiegels“, in vielerlei Weise beeinflusst. Eine direkte
europäische Pañcatantra-Rezeption begann mit dem „Buch der Beispiele der
alten Weisen“ des Anton von Pforr (um 1480) und erreichte mit den
Fabeln Jean de Lafontaines (1627–1695) und des Leipziger
Universitätsprofessors für Poesie, Beredsamkeit und Moral Christian
Fürchtegott Gellerts (1715–1769) einen ersten Höhepunkt.
Heute
haben die Erzählungen des Pañcatantra nichts von ihrer Anziehungskraft
verloren. Sie sind in der ganzen Welt verbreitet, in vielen Fassungen
und medialen Formen und mit sehr verschiedenen inhaltlichen
Zielsetzungen, von der didaktisch-moralisch ausgerichteten Schullektüre
für Kinder bis zur die Ausbildung von Managern als Beispielsammlung für
strategisches Denken. Über die Jahrhunderte haben die Tiererzählungen
auch in der Kunst, vor allem der Buchillustration, ihre Resonanz
gefunden, in der Gegenwart zunehmend auch in Tanz und Theater, im
Trickfilm und in Comics.
Die Leipziger Tagung, an der Wissenschaftler
unterschiedlicher Fachdisziplinen aus vier Kontinenten teilnehmen,
widmet sich der Wirkungsgeschichte des Pañcatantra und den Mechanismen
seiner Transformation in Indien und Europa von seiner Entstehung bis in
die Gegenwart. Sie ist dem 100. Jubiläum der Rekonstruktion von Urtext
und Wanderweg des Pañcatantra von Indien nach Europa durch Johannes
Hertel gewidmet, der zwischen 1919 und 1937 Inhaber des Lehrstuhls für
Indologie an der Universität Leipzig und Mitglied der Sächsischen
Akademie der Wissenschaften war.
Die Tagung findet in den Räumen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig statt.
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