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Karl Borchardt: Neues zur Ansiedlung des Deutschen Ordens im Baltikum um 1230

Kolloquium zur Europäischen Geschichte des Mittelalters
Wann 18.05.2017
von 19:00 bis 20:00
Wo Vortragssaal der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Karl-Tauchnitz-Straße 1, 04107 Leipzig
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Urkundenquelle aus dem Sachsenspiegel

Zu der Entscheidung des im Heiligen Lande begründeten Deutschen Ordens, in den 20er und 30er Jahren im Baltikum tätig zu werden, gibt es sowohl erzählende als auch dokumentarische Quellen. Sie erlauben, die Akteure und ihre Zielvorstellungen zu beleuchten. Allerdings stehen viele der einschlägigen Urkunden im Verdacht, ganz gefälscht oder teilweise verfälscht zu sein. Der Deutsche Orden soll Kaiser und Papst hinters Licht geführt haben, um gegen Bischof Christian von Preußen und Herzog Konrad von Masowien seine eigenen Wünsche durchzusetzen. Die Debatte darüber ist nicht neu; im 19. und 20. Jahrhundert war sie nicht zuletzt mit außerwissenschaftlichen Konflikten im deutsch-polnischen Verhältnis verknüpft. Gut zusammengefasst und um neue Aspekte bereichert wird die Diskussion durch Tomasz Jasiński, Kruschwitz, Rimini und die Grundlagen des preussischen Ordenslandes. Urkundenstudien zur Frühzeit des Deutschen Ordens im Ostseeraum (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 63, 2008).

Danach werden zwei Kaiserurkunden, eine 1224 für die neubekehrten Livländer und die 1226 zu Rimini datierte Goldbulle für den Deutschorden über Preußen, dem Diktat des Petrus de Vinea († 1249) zugewiesen. Nur das Stück von 1224 steht allerdings in den nach Petrus de Vinea benannten Mustersammlungen, die in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhundert kompiliert wurden (und die der Vortragende für die MGH ediert). Das spricht nicht grundsätzlich gegen Petrus de Vinea als Diktator. Doch ob der klassische Diktatvergleich in einer Zeit, welche bereits durch Anwendung von Traktaten zur Ars dictaminis in Kanzleien geprägt war, wirklich ausreicht, eine solche Urheberschaft sicher zu erweisen, wird kritisch zu fragen sein.

Wichtiger noch ist eine andere Erkenntnis, welche Tomasz Jasiński anhand der Schmuckformen in den Originalen über jeden Zweifel untermauert hat: Die beiden mit einer Goldbulle besiegelten Ausfertigungen für den Deutschorden über Preußen können nicht 1226 geschrieben worden sein. Vielmehr dürften sie erst um 1234/35 erstellt worden sein, in einer politisch völlig veränderten Situation. Damit wird die Frage nach einer möglichen Fälschung oder wenigstens Verfälschung neu gestellt. Mindestens muss erklärt werden, warum die Ausfertigungen vordatiert sind. Hierzu möchte der Vortrag einige Thesen zur Diskussion stellen. Inhaltlich geht es dabei zum einen um die eher diplomatische Frage, ob kaiserliche Verfügungen immer sofort mit Goldbulle besiegelt wurden, oder ob man sich mit einem kostengünstigeren Wachssiegel begnügte, solange nicht absehbar war, dass Privilegien tatsächlich gebraucht wurden. Zum anderen wird politisch die einfache Ausfertigung unter einem Wachssiegel 1226, die es gegeben haben dürfte, erläutert vor dem Hintergrund der Ziele Landgraf Ludwigs IV. von Thüringen († 1227), welche unter anderem in der Reinhardsbrunner Chronik aufscheinen. Auf diese Weise soll ein schlüssiges Bild entstehen, wie es zu der recht komplizierten Urkundenüberlieferung hinsichtlich der Anfänge des Deutschen Ordens im Baltikum kam.

Der Vortrag richtet sich an ein interessiertes Fachpublikum, Fragen & Diskussion im Anschluss.

Termine
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DIKUSA-Abschlusskonferenz 15.12.2025 - 16.12.2025 — Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Karl-Tauchnitz-Straße 1, 04107 Leipzig
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