„In diesem Bergwerk einer Dichterschmiede“: Walter Schnatz bezeichnet in seinen „Lebenssonetten“ damit seine Zeit am Institut für Literatur Johannes R. Becher. Und ebenjenes Zitat bildet den geeigneten Titel für das nächste Akademie-Kolloquium am 26. September 2014, ab 11.15 Uhr in der Sächsischen Akademie der Wissenschaften. Professor Hans-Ulrich Treichel vom Deutschen Literaturinstitut Leipzig (DLL) und die Projektmitarbeiter Dr. Katja Stopka, Dr. Isabelle Lehn sowie Sascha Macht stellen ihr Forschungsprojekt vor.
Von 1955 bis 1993 nahm das in der DDR gegründete „Institut für Literatur ‚Johannes R. Becher‘“ in Leipzig eine singuläre Stellung unter den deutschen Bildungseinrichtungen ein: Die „kleinste Hochschule der Welt“ war damals die einzige akademische Ausbildungsstätte für Schriftsteller im gesamten deutschsprachigen Raum. Rund 1000 Direkt-, Fern- und Weiterbildungsstudenten wurden hier ausgebildet. Im Mittelpunkt standen die sogenannten „schöpferischen Seminare“ für Lyrik, Prosa und Dramatik, die von Schriftstellern wie Georg Maurer, Werner Bräunig oder Peter Gosse geleitet wurden.
20 Jahre nach der Schließung des im Zuge der Wiedervereinigung „abgewickelten“ und damit historisch gewordenen Becher-Instituts begann erstmals die Aufarbeitung der fast 40-jährigen Institutsgeschichte. Seit 2013 nimmt das am (DLL) angesiedelte Forschungsprojekt „Literarische Schreibprozesse am Institut für Literatur ‚Johannes R. Becher‘“ die ästhetischen, schreibdidaktischen und kulturpolitischen Dimensionen der Ausbildung in den Blick und untersucht, wie sich die Schreibprozesse zahlreicher DDR-Autoren am Becher-Institut entwickelten.
Im Akademie-Kolloquium stellt das Projekt die Forschungsfragen und -ergebnisse anhand von Beispielen aus dem umfangreichen Quellenbestand vor. Dieser umfasst neben dem Institutsnachlass im Sächsischen Staatsarchiv (Leipzig) Zeitzeugnisse und Memoiren von Autoren wie Erich Loest, Ralph Giordano, Heinz Czechowski oder Helga M. Novak. Zudem geben literarische Arbeitsproben Einblick in das frühe Schaffen von Autoren wie Sarah und Rainer Kirsch, Gert Neumann oder Katja Lange-Müller.
Das Projekt ist eines von vieren, die im Rahmen des Programms „Geisteswissenschaftliche Forschung“ des Sächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur (SMWK) über die Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig gefördert werden und die das Thema der „Eliteförderung in der DDR“ aus Perspektive der Musik-, Literatur-, Sport- und Theaterwissenschaften in den Blick nehmen.