Die Konferenz, die vom 4.-7. August 2017 in Nowgorod stattfand, wurde vom Institut für russische Sprache der Russischen Akademie der Wissenschaften organisiert. Nowgorod wurde 1158 gegründet und ist eine der ältesten Städte im Norden Russlands. Dort sind die ältesten Schriftzeugen auf Birkenrinde im altnowgoroder Dialekt entstanden, in denen sich alltägliche Angelegenheiten des städtischen Lebens und des Umlands wiederspiegeln. Die ältesten erhaltenen Birkenrindenurkunden werden ins 11. Jahrhundert, die jüngsten ins späte 15. datiert. Bislang wurden bereits über eintausend dieser besonderen Schriftzeugen geborgen und in jedem Sommer werden neue Funde präsentiert. Die Zeugen dieser Schriftlichkeit sind nicht auf Birkenrinden als Beschreibstoff beschränkt, sondern konnten von Wissenschaftlern auch in Nowgoroder Kirchen und im Umland Nowgorods nachgewiesen werden. So wurden zum Beispiel in dort vorhandene Fresken Texte und Bilder eingeritzt. Für die Entstehung und Entwicklung der niederdeutschen und altrussischen Schriftsprache spielte auch das Nowgoroder Hansekontor, der St. Peterhof, an dem die Hanseaten mit den Russen Handel trieben, eine entscheidende Rolle.
An der Konferenz nahmen mehr als 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Russland, Deutschland, den Niederlanden, Spanien, Italien und den USA teil. Sie wurde durch ein wissenschaftliches Exkursionsprogramm ergänzt, das die Besichtigung archäologischer Grabungs- und Restaurierungsstätten der russischen Schriftlichkeit und Kunst im russischen Norden umfasste.
In ihrem Vortrag auf der Konferenz gab Dr. Marija Lazar einen Einblick in die sprachlichen Besonderheiten des Lübischen und des Sächsisch-magdeburgischen Rechts. Sie zeigte unter anderem, dass die Entwicklung der Rechtssprache von der Richtung der Übersetzung abhängig war. So wurden in Ostmitteleuropa die slawischen Urkunden ins Niederdeutsche übersetzt, was zu slawischen Entlehnungen im Niederdeutschen führte, wie etwa „den kop slan/slagen“ / „den Kopf schlagen“, d.h. sich ehrenvoll verbeugen, oder „uppe de koninges hand“ / „auf der Hand des Königs“, d.h. unter der Schirmherrschaft des Königs. Dagegen beeinflusste in Mitteleuropa bei Übersetzungen aus dem Deutschen ins Slawische die Richtung sowie die wortwörtliche Übersetzungstechnik sogar Veränderungen im grammatischen System der Zielsprache.
Das Projekt „Das sächsisch-magdeburgische Recht als kulturelles Bindeglied zwischen den Rechtsordnungen Ost- und Mitteleuropas“ ist der Verbreitung des Sachsenspiegels und des Magdeburger Stadtrechts in den Ländern Ostmitteleuropas (Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Russland, Slowakei, Tschechien, Ukraine, Ungarn, Weißrussland) unter Berücksichtigung der rechtlichen und sprachlichen Prozesse gewidmet. Unter Einbeziehung der laufenden einschlägigen Forschungen in den genannten Ländern wird im Ergebnis die Rezeption des sächsisch-magdeburgischen Rechts in Osteuropa in handbuchartigen Publikationen dargestellt und rechts- sowie sprachgeschichtlich untersucht. Neben seiner wissenschaftlichen Ausrichtung will das Vorhaben einen Beitrag zur Hervorhebung kulturgeschichtlicher Gemeinsamkeiten in einem modernen Europa leisten.
Weiterführende Informationen: www.magdeburger-recht.eu
Ausgrabungen in Novgorod / Foto: Dr. Maria Lazar