Vortrag am 8.12.2000
Peter Thiergen (Bamberg), Korrespondierendes Mitglied der Philologisch-historischen Klasse:
„Wir reifen nicht in Jahrzehnten, sondern in Stunden“. Über Zeit- und Tempovorstellungen in Geschichte und Kultur Rußlands
Nachdem BabyIonier und Ägypter, die Antike und das Christentum Zeitvorstellungen und -einteilungen entwickelt hatten, ist das Zeitbewußtsein vor allem in der westlichen Welt präsent und wirkungsvoll gewesen. Rudolf Wendorff schreibt in seiner großen Untersuchung „Zeit und Kultur“ mit Blick auf die westliche Zivilisation: „In keiner anderen Kultur hatte und hat Zeit eine vergleichbar wesentliche Bedeutung“ (Ausg. 1985, S. 10). Entsprechend gibt es zu westlichen Zeitphänomenen bzw. zur westeuropäischen „temporalistischen Mentalität“ eine Fülle einschlägiger Untersuchungen (Blumenberg, Borst, Dux, Elias, Koselleck, Wendorff et al.). In diesen spielt Rußland (naheliegenderweise?) keine oder nur eine marginale Rolle. Das mag auch daran liegen, daß russische Zeitvorstellungen kaum je untersucht worden sind. Jedenfalls fehlen, abgesehen von sprachwissenschaftlichen Studien zum Temporalitätswortschatz, summierende themenspezifische Monographien.
Der Vortrag widmet sich der Frage, welche Auffassungen von kulturellem Entwicklungstempo in der russischen Geschichte von 1700 bis zur Gegenwart erkennbar sind. Zar Peter d. Große (1689–1725) hatte sich abrupt und irreversibel dem Westen zugewandt. Seitdem kollidieren in Rußland Phänomene von Stagnation (russ. zastoj u.ä.) und Akzeleration (russ. progress), die von Synthesebemühungen durch Projektion begleitet werden (= Entwurf einer futurischen Zeit). Es kommt zum Wechselspiel von sog. binären und ternären Diskursen.
Da in Rußland bis weit in das 19. Jahrhundert ein genuines Bürgertum ausblieb, fehlte ein konstanter Motor gesellschaftlicher Beschleunigung. Durch Reformen und Revolutionen oktroyierte Tempoverschärfungen, vor allem nach 1917, waren hierfür nur ein unzureichender Ersatz. Die wiederkehrenden Tempowechsel und „Zivilisationsbrüche“ in der neueren russischen Geschichte (Peter d. Gr., „Tauwetter“ unter Alexander 11., Bolschewismus, „Tauwetter“ nach Stalin, „Perestrojka“) mobilisierten regelmäßig Antagonismen, die im „Aufbruch“ zugleich „Absturz“, in vita activa und Zivilisations gewinn zugleich Verlust von Kultur und vita contemplativa sehen wollten. Der Verkultung des Fortschritts wurde das „Privileg der Rückständigkeit“ entgegengestellt. Spiegel all dessen war und ist die schöne Literatur („überflüssiger Mensch“ vs. „neuer Mensch“, Oblomowerei vs. Taylorismus, Selbstanklage vs. Messianismus ).
Vortrag am 8.12.2000
Helmut Müller (Halle-Wittenberg), Ordentliches Mitglied der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse:
Downsizing in der Analytik – Notwendigkeiten, Schwierigkeiten und Möglichkeiten
Die modeme Chemie konnte sich aus der Alchemie nur mit Hilfe der Anlaytik entwickeln. Dabei führte einerseits der Fortschritt der Analytik zu Fortschritten der chemischen Synthese, andererseits stellen neue Synthesen und Verfahren die Analytik vor immer neue Herausforderungen. Geradezu dramatisch war die Entwicklung in den letzten Jahrzehnten. Die Analytik wurde immer schneller, immer nachweisstärker und immer aussagekräftiger. Wir erleben ein „Downsizing“.
- in der Quantität (Probenmasse, Analytkonzentration),
- in der Dimension (Analysenobjekte, Instrumentierung),
- in der Zeit (Zeitaufwand, Zeitauflösung).
Notwendig wurden diese Entwicklungen durch den naturwissenschaftlich-technischen Fortschritt (z.B. Halbleiterindustrie, Polymerproduktionen), durch das rasante Entwicklungstempo wissenschaftlicher Disziplinen (z.B. Umweltforschung, Biochemie, Werkstoffwissenschaften) und durch ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis in der Forschung, Lehre und Produktion.
Ziel des Vortrages ist es, anhand von Beispielen aus der eigenen Forschung Möglichkeiten, aber auch Schwierigkeiten bei der Umsetzung eines „DownsizingKonzeptes“ aufzuzeigen und zu diskutieren.
Eine schnelle und zuverlässige Analytik ist die grundlegende Voraussetzung zur Erkennung, Untersuchung und Benutzung toxischer Gefahrenquellen. Pestizide sind als umweltgefährdende Substanzen immer wieder Gegenstand der fachlichen und öffentlichen Diskussion. Dabei ist es notwendig, Pestizidspuren in Oberflächen- und Trinkwässern in einer ja/nein-Entscheidung sicher nachweisen (Screening-Text), aber auch analytisch exakt bestimmen zu können.
In den letzten Jahren gab es eine Reihe grundlegender Entwicklungen auf dem Gebiet der Sensorik. Eine dieser modemen Arbeitsrichtungen ist die Entwicklung und Anwendung ionenselektiver Feldeffekttransistoren (ISFET). Ziel unserer Arbeiten war es u.a., Enzyme auf einem Mikrotransducer mittels Photopolymerisation zu immobilisieren, um mit so präparierten Enzymensensoren Schadstoffe (Pestizide, Schwermetallionen) in Wässern auch in einem Schnelltest bestimmen zu können. Ergebnisse und Grenzen der Anwendbarkeit werden diskutiert.
Als eine leistungsfähige Alternative zu den chromatographischen Verfahren hat sich zunehmend die Kapillarzonenelektrophorese (KZE) etabliert. Wesentliche Vorzüge gegenüber der HPLC leiten sich durch den geringen Verbrauch an Eluenten und Analysenproben (Nanoliterproben) ab. Im Mittelpunkt der Arbeiten stand die Erarbeitung eines Verfahrens, das eine Konzentrierung und eine Trennmethode vereint und die simultane Bestimmung von relevanten Pestiziden im Trink- und Oberflächenwasser im Konzentrationsbereich der Trinkwasserverordnung gestattet.
Die richtige zuverlässige und schnelle Bestimmung von Elementen in Mikroproben im extremen Spurenbereich (ppb- bis ppt-Analytik) gewinnt zunehmend an Bedeutung. Moderne atomspektroskopische Methoden leisten dazu einen überragenden Beitrag. Es gibt aber nur wenige analytische Verfahren, mit denen extreme Spurengehalte in Mikrofestproben direkt – also ohne Aufschluss – analysiert werden können. Die direkte Feststoff-Atomabsorptionsspektralphotometrie als SS GF-AAS ist eine solche Methode. Entwicklung, Applikation und Bewertung dieser modernen Arbeitstechnik werden an Beispielen der Schwermetallanalytik (ppb-Gehalte) in Mikrogrammproben aus den Bereichen Umweltanalytik, Biochemie, Medizin, Werkstoffforschung aufgezeigt. Probleme der Kalibrierung und insbesondere der Validierung der SS GF-AAS werden erörtert und Lösungsmöglichkeiten vorgeschlagen. Ein Sol-Gel-Prozess zur Präparation von Kalibrierstandards mit ausgeprägter Mikroheterogenität wird beschrieben und die praktische Anwendbarkeit solcher Standards am Beispiel der Schwermetallspurenbestimmung in Sedimenten aufgezeigt.
Vortrag am 10.11.2000
Lothar Eißmann (Leipzig), Ordentliches Mitglied der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse:
Der ältere Gebirgsbau Mitteldeutschlands oder Eine geologische Expedition in Mitteleuropa
Mitteleuropa zählte schon vor dem ersten Weltkrieg zu den geologisch am besten erforschten Gebieten der Erde. Das gilt in besonderem Maße auch für die sächsischen Länder. So war das Gebiet des heutigen Freistaates Sachsen unter H. Credners Leitung 1895 nahezu vollständig geologisch kartiert. Doch die Kenntnisse waren ganz überwiegend auf das an der Oberfläche anstehende oder oberflächennahe Gebirge begrenzt. Wie sich die von mächtigem Lockergebirge bedeckten älteren Gesteinsformationen und ihre Strukturen unterirdisch fortsetzen, blieb weitgehend Vermutung. So bildeten große Gebiete Nordsachsens und Sachsen-Anhalts mit bedeutenden Industriestandorten bezüglich des vorbraunkohlenzeitlichen (prätertiären) Gebirgsaufbaues eine Terra incognita. Doch selbst das Lockergebirgsstockwerk des Tertiärs und Quartärs mit den wirtschaftlich wichtigen Braunkohlenflözen und Grundwasserleitem war nur in den Grundzügen erforscht mit großen „weißen Flecken“, d.h. Gebieten ohne nennenswerte Kenntnisse zur Geologie – z.B. der Raum zwischen Torgau, Delitzsch und Wittenberg.
Dank vieler hundert Bohrungen von Tiefen bis über 500 m und Tausender von flachen (bis 150 m tiefen) Erkundungs- und Nutzungsbohrungen (Braunkohle, Grundwasser, Steine und Erden, Forschung) – es existieren im Tiefland westlich der EIbe mindestens 250000 Bohrungen – wurden nach dem zweiten Weltkrieg alle wesentlichen Kenntnislücken geschlossen. Heute existiert ein zusammenhängendes, verständliches Bild vom Bau des älteren, in der sudetischen Phase der varistischen Gebirgsbildung, im obersten Unterkarbon, gefalteten und geschieferten Grundgebirges, des Molasse- (höchstes Oberkarbon bis Rotliegendes) und tieferen Tafelstockwerkes (Zechstein bis Kreide) und des aus Lockersedimenten bestehenden höheren Tafelstockwerks (Tertiär, Quartär) vom Erzgebirge und dem Vogtländisch-Thüringischen Schiefergebirge bis mindestens zum EIbebogen bei Dessau- Wittenberg.
Beim Grundgebirge oder Unterbau, dem „präsudetischen Gebirge“, folgen von Nord nach Süd die varistischen Groß strukturen (Antiklinorien und Synklinorien) Mitteldeutsche Kristallinzone, mit ihr eng verschweißt Schwarzburg – Leipziger (= Nordsächsischer) Sattel, Ostthüringisch-Nordsächsische Mulde und Ostthüringischer- (= Bergaer) Sattel aufeinander. Es hat sich gezeigt, daß diese Großstrukturen durch weitere Spezialsättel und -mulden untergliedert werden (Gera–Altenburg–Leipzig). Das Grundgebirge umfaßt Schichten vom Oberen Proterozoikum bis zum Unterkarbon. Mindestens bis zum Nordsächsischen Sattel ist die Schichtenfolge in der vogtländisch-thüringischen Fazies entwickelt. Bemerkenswert ist der Nachweis fossilführenden Unter- und Mittelkambriums in einer Senkungszone zwischen (Schladebach-) Delitzsch–Torgau (Zwethau).
In die Großsättel sind an mehr als einem Dutzend Stellen Tiefengesteinskörper granitischer bis granodioritischer sowie syenitisch-dioritischer Zusammensetzung eingedrungen. Größere Intrusionskörper sind bekannt bei Teuchem, im Stadtgebiet von Leipzig, bei Delitzsch, Schildau, Bad Schmiedeberg und Pretzsch sowie bei Dessau. Es existieren mehrere Intrusionsphasen zwischen dem jüngeren Proterozoikum und dem Oberkarbon.
Die lange bekannten oberkarbonischen bis unterpermischen Intramontansenken im sudetisch gefalteten Gebirge des Gebietes Saar-Saale-Trog mit Halleschem Porphyrkomplex, Nordsächsisches Vulkanitbecken und Erzgebirgisches Becken ließen sich durch Bohrungen deutlich abgrenzen und erweisen sich als heute getrennte und entstehungsgeschichtlich wohl autonome Senkungs- bzw. Einbruchszonen.
Das untere Tafeldeckgebirge, in seinen strukturellen Hauptrichtungen erstmalig stark herzynisch (NW – SE) betont, beginnt mit dem Zechstein in randnaher, stark karbonatisch betonter Entwicklung. Dem Karbonatwall schließt sich ehemals meerseitig ein mächtiger Anhydritwall an, der durch Auflösung (Subrosion) im Tertiär für die Bildung von Braunkohle große Bedeutung erlangte. Die Trias ist durch weit verbreiteten Buntsandstein, im Westen und Norden durch Muschelkalk und Keuper vertreten. Im Norden ragen auch noch Ablagerungen aus der Jura- und Kreidezeit in das Gebiet hinein, die ursprünglich zusammen mit triassischen Gesteinen wohl weite Gebiete Sachsens bis zum Granulitgebirge bedeckten.
Das Tertiär beginnt über einer hebungsbedingten Schichtlücke punktförmig mit Ablagerungen aus dem älteren Eozän, flächenhaft aus dem Mitteleozän (Geiseltalflöze, Sächsisch-Thüringisches Unterflöz). Charakteristisch für das bis in das mittlere Miozän belegte Tertiär ist der Wechsel von fluviatilen und limnischen Sedimenten mit eingelagerten mächtigen Braunkohlenflözen und marinen bis marin-brackischen Ablagerungen. Es sind mindestens vier Transgressionsphasen der Urnordsee bis in die Gegend von Leipzig nachgewiesen. Die Haupttransgression erfolgte im Unteroligozän (Rupelien).
Das ältere Quartär ist gekennzeichnet durch terrassenförmig erhaltene Schotterkörper aus dem frühen Pleistozän. In diesen Abschnitt gehören so bedeutende Säugerfundstellen wie Untermaßfeld (mit Flußpferd) in Westthüringen, Voigtstedt bei Artern und Süßenborn bei Weimar. Für den Abschnitt der großen skandinavischen Vereisungen gilt Mitteldeutschland als „klassisches Gebiet“ in bezug auf Abfolge und Forschung. Es ist Verzahnungsraum von Glaziär und Periglaziär, von Ablagerungen des Inlandeises (Bänderton, Grundmoräne, glazifluviatile und -limnische Sedimente) bzw. der Flüsse (Schotterterrassen) und des Windes (Löß). Internatinal gebräuchlich sind Begriffe wie Elster- und Saale-Eiszeit. Aus der ersten sind zwei große, aus der zweiten drei kleinere Eisvorstöße im Gebiet bekannt. Der die Bodenfruchtbarkeit maßgebend bestimmende Löß ist vorwiegend saale- und weichseleiszeitlich.
An vollständigen Warmzeitfolgen mit reicher Flora und/oder Fauna des jüngeren Quartärs sind zu nennen: aus der Holsteinwarmzeit zwischen Elster- und Saaleeiszeit Bilzingsleben bei Artern mit Resten des Homo erectus, Schmerz/Gröbern bei Gräfenhainichen, Schildau und Klieken, aus der Eemwarmzeit zwischen der Saale- und Weichseleiszeit Burgtonna, Taubach, Ehringsdorf, Neumark-Nord (Geiseltal) und GrÖbern.
Der Mensch betrat spätestens in der Holsteinwarmzeit, wahrscheinlich in der späten Elstereiszeit, Mitteldeutschland. Ist Mitteldeutschland mit seiner rekonstruierten Erdgeschichte von über 600 Millionen Jahren eine case history in der Geologie im allgemeinen, gilt dies für einige Spezialerscheinungen in dieser Entwicklung im besonderen. Zu denken ist an die
- zonierte, im Rhythmus von Transgression und Regression verlaufende Fällung von Schwermetall einschließlich Uran in der Zechsteinzeit,
- die im Rhythmus von epirogener, subrogener und mariner Einflußnahme sich vollziehende Moor- bzw. Kohlebildung im Epikontinentalbereich (Verzahnung telmatischer, fluviatil-limnischer, mariner und brackischer Sedimente),
- die über eine Länge von mehr als 50 Millionen Jahre rekonstruierbare Subrosion von Gips, untergeordnet von Salz, und die in einem engen Zusammenhang damit stehende weltbekannte mitteleozäne Fossillagerstätte des Geiseltals,
- Modellcharakter besitzt schließlich die Verzahnung von glaziären und periglaziären Sedimenten am Rande des skandinavischen Eisschildes mit dem vollständigen Ensemble an prozeß- und klimatypischen Strukturen bzw. Indikatoren und bedeutsamen Fundstätten der eiszeitlichen Tier- und Pflanzenwelt, z. T. ebenfalls in Form von „Fossillagerstätten“ (Quellkalke von Bilzingsleben und Ehringsdorf, limnische Becken von Neumark-Nord, Gröbern und weitere Vorkommen).
Vortrag am 10.11.2000
Lothar Kreiser (Leipzig), Ordentliches Mitglied der Philologisch-historischen Klasse:
Die Formen des Logischen und ihr Einfluß auf die Sprachentwicklung
Der Vortrag setzt thematisch die Diskussion der philologisch-historischen Klasse der Sächsischen Akademie der Wissenschaften über Sprache und Werte fort. Er greift aus der Sicht der Logik den vor allem in der letzten Phase dieser Diskussion verstärkt geäußerten Gedanken auf, daß ein Verstehen der Ausbildung einer natürlichen Sprache ohne Rücksicht auf ein teleologisches Element nicht gelingen kann: Es sei bei Sprachentwicklung auch ein „teleologischer Mechanismus“ am Wirken. Ich möchte zeigen, daß sich die Diskussion in diesem Punkt nicht in leere Scholastik verstiegen hat. Der Vortrag ist in drei Hauptabschnitte unterteilt:
Im ersten, den Fragegegenstand aufbereitenden Abschnitt, wird nachgewiesen, daß nicht alle Gesetze der traditionellen formalen Logik auch Gesetze der Prädikatenlogik sind. Da auch die Umkehrung dieses Satzes gilt, muß die Folgerungsrelation, die den einen Gesetzen zugrunde liegt, verschieden sein von derjenigen, die der anderen Gruppe logischer Gesetze zugrunde liegt.
Der zweite Hauptabschnitt ist konstruktiver Art. Es werden zu den im ersten Hauptabschnitt genannten Folgerungsbeziehungen weitere vorgestellt, denn sie sind die Formen des Logischen, das darin besteht, daß mit etwas, sofern es eine Geltung hat, anderes, aber kategorial gleiches, auch gilt. Das Logische ist ein Geltungszusammenhang, der sich in einer Folgerungsbeziehung manifestiert. Ausgewählt werden Folgerungsbeziehungen, die sich unter den Begriff Vorstellbarkeit subsumieren lassen. Vorstellbarkeit ist die mit einer hohen Wahrscheinlichkeit verbundene Erwartung einer möglichen Vorstellung als reale Vorstellung aufgrund vorausgesetzter realer Vorstellungen, mit denen die mögliche Vorstellung assoziiert ist. Erkenntnistheoretisch gesprochen geht es bei Vorstellbarkeit darum, einen mehr oder minder genau umgrenzten Bereich von Einzelnem unter ein Allgemeineres so zu bringen, daß dadurch Besonderes von ihm ausgesagt werden kann. Als Allgemeines kann eine Metapher oder eine Analogie ebenso fungieren wie eine Vorstellung oder ein Begriff. Im Alltagsdenken ist logisches Schließen vielfach Vorstellbarkeit aufgrund realer Vorstellungen, bei der das Erkenntnissubjekt der möglichen Vorstellung einen hohen Grad an Wahrscheinlichkeit dafür zuspricht, eine reale Vorstellung zu sein.
Im dritten, auf Synthese zielenden Hauptabschnitt wird eine Hypothese über die Steuerung von Sprachentwicklung durch logische Folgebeziehungen entwickelt. Folgerungsbeziehungen erzwingen geeignete Ausdrucksweisen, und dieser gerichtete Zwang ist (im Zusammenwirken mit Verstehen von Welt) der teleologische Mechanismus. Syntaktische Veränderungen einer natürlichen Sprache erklärt die Hypothese nicht.
In welcher Richtung die logische Offenheit einer Sprache ausgefüllt wird, wird durch das Erkennen bestimmt, mit dem logisches Folgern als Realisierung eines Geltungszusammenhanges eng verbunden ist. Über das Erkennen verbindet sich der teleologische Mechanismus mit Geschichtlichkeit in einem Kulturkreis.Die Eigenschaft einer natürlichen Sprache, einer Vielheit von Folgerungsbeziehungen Ausdruck zu verschaffen, ist es auch, die eine Logisierung ihrer Grammatik, die ja doch immer nur genau einer Folgerungsbeziehung gemäß sein könnte, unmöglich macht
Vortrag am 13.10.2000
Werner Krause (Dresden), Ordentliches Mitglied der Technikwissenschaftlichen Klasse:
Umweltgerechte Produkte der Feinwerktechnik und Elektronik
Mit dem weiteren raschen Fortschreiten der wissenschaftlich-technischen Entwicklung muß sowohl den Wechselwirkungen zwischen technischen Produkten und der Umwelt als auch deren unmittelbaren Beziehungen zum Menschen zunehmende Aufmerksamkeit gewidmet werden. Das immer stärkere Eindringen von feinwerktechnischen und elektronischen Produkten in nahezu alle Bereiche der Gesellschaft erfordert demzufolge zum einen, Umweltschutz und Umweltgestaltung mit Voraussicht zu beherrschen. Dabei ist auch auf den Arbeitsschutz sowie die Einhaltung der Forderungen zu achten, die aus den Ansprüchen einer modemen Industriegesellschaft resultieren. Die Verknappung der Rohstoffvorräte zwingt zum anderen zur Einordnung dieser Aufgaben in das Gesamtkonzept eines Öko-Designs, einer ökologisch orientierten Produktentwicklung. Sie muß bei konsequentem Einsparen von Energie den Weg öffnen für das Verringern von Abfällen sowie die Wiederverwendung bzw. -verwertung gebrauchter Produkte und damit Voraussetzungen schaffen für ein umfassendes Recycling.
Im zuerst genannten Bereich ergeben sich bei Beachtung der Trends zu höheren Leistungsdichten sowie größeren Arbeitsgeschwindigkeiten unter anderem Aufgaben, die den Schutz der Umwelt vor Lärmbelästigung betreffen. Die Emission von störenden bzw. gesundheitsschädigenden Geräuschen ist dabei in engem Zusammenhang mit einer umweltfreundlichen Produktkonzeption zu betrachten. Diese gewinnt auch deshalb an Bedeutung, weil mit dem verstärkten Einsatz mikroelektronischer Bausteine in informationsverarbeitenden Einheiten verschärfte Forderungen hinsichtlich einer Geräuschminimierung an die weiterhin erforderlichen mechanischen und elektromechanischen Baugruppen gestellt werden. Dies äußert sich z.B. in der stetigen Senkung der für einzelne Gerätekategorien zulässigen und in Standards verankerten Höchstwerte der Schalldruck- bzw. Schalleistungspegel.
Darüber hinaus ist die elektromagnetische Verträglichkeit zu einem wesentlichen Qualitätsparameter geworden. Sie betrifft Verträglichkeitsaspekte zwischen Produkten, wofür Grenzwerte bezüglich Störfestigkeit und Störemission einzuhalten sind. Wegen der zunehmend direkten Kommunikation des Menschen mit Geräten und Maschinen erlangen aber auch elektrische Schutzmaßnahmen vor allem gegen zu hohe Berührungsspannungen sowie bei indirekter Berührung im Fehlerfall und Maßnahmen gegen die Wirkung von Strahlung größere Bedeutung. Neue, international abgestimmte Standards einschließlich vereinheitlichter Kurzbezeichnungen für Schutzmaßnahmen elektrotechnischer Anlagen unterstreichen dies ebenso wie strengere Festlegungen und spezielle Sicherheitsvorschriften, unter anderem für elektronische Heimgeräte.
Die durch Mikroelektronik möglichen Packungsdichten in Produkten lassen darüber hinaus den Schutz gegen thermische Belastung immer mehr in den Blickpunkt wissenschaftlich-technischer Untersuchungen gelangen. Die thermische Dimensionierung gestaltet sich mit dem weiteren Vordringen der Mikroelektronik zu einem der entscheidenden konstruktiven Probleme. Aus veränderten Umweltbedingungen und der Vergrößerung des Einsatzbereichs der Produkte unter verschiedenen, z. T. extremen klimatischen Verhältnissen leiten sich zugleich erhöhte Anstrengungen zur Sicherung der Funktion sowie zum Geräteschutz selbst ab. Das Klima übt sowohl bei Transport und Lagerung als auch unmittelbar im Betrieb wesentlichen Einfluß auf die Funktionstüchtigkeit aus. Insbesondere erweist sich die Feuchte als störend wegen Korrosionserscheinungen durch Wasseranlagerungen und Dissoziation, wegen der Gefahr der Kontaktkorrosion, der Verringerung der Lebensdauer sowie der Änderung von elektrischen und mechanischen Parametern. Bei einer Verkappung können nur metallische oder andere anorganische Werkstoffe den erforderlichen Feuchteschutz unter extremen Bedingungen sichern. Aus ökonomischen Gründen finden vielfach aber auch Kunststoffe, die in unterschiedlichem Maße feuchtedurchlässig sind, Anwendung. Ihr Feuchteverhalten muß deshalb ebenso beherrscht werden wie die Anwendung konstruktiver Maßnahmen zum Klimaschutz insgesamt. Für eine zielgerichtete Produktentwicklung und -handhabung setzt dies gesicherte Kenntnisse zu möglichen klimatischen Beanspruchungen in den jeweiligen Klimagebieten und Klimabereichen der Erde, zu erforderlichen Schutzgraden und zu notwendigen Prüfbedingungen voraus.
Nicht zuletzt ist in diesem gesamten Rahmen der Verpackung größere Aufmerksamkeit zu widmen. Einerseits werden immer noch mehr als 90 % aller Produkte verpackt, und es sind neue Wege erforderlich, die dabei entstehenden Abfälle zu vermeiden bzw. wiederzuverwenden. Andererseits entstehen mehr als Dreiviertel der beim Transport auftretenden Schäden durch falsch konstruierte oder unzureichende Verpackungen.
Bei all diesen hier skizzierten Aufgaben ist dem zweiten eingangs genannten Bereich zum Recycling durch die Einrichtung von Produkt- und Stoffkreisläufen Rechnung zu tragen. Voraussetzungen dafür sind bereits mit der recycling gerechten Konstruktion zu schaffen. Derzeit ist die Situation noch dadurch gekennzeichnet, daß jährlich etwa 3,7 Millionen feinwerktechnischer und elektronischer Produkte zu entsorgen sind. Im einzelnen bedeutet das einen Anfall von 330.000 t Kunststoffen, von denen heute günstigenfalls 50 % wiederverwertet werden, und das in einer sehr geminderten Qualität. Auch der Anfall von 130.000 t Glas mit der Problemfraktion Bildröhrenglas, welches bisher in Sonderdepots zwischengelagert wird, birgt Probleme. Noch existieren keine befriedigenden Entsorgungsverfahren für die hochgiftigen Bestandteile wie z.B. PbO und BaO. Schließlich gibt es einen Anteil von zwar nur 3 % Elektronikabfall, der aber doch eine Menge von 50.000 tumfaßt und im wesentlichen aus Leiterplattenschrott mit einer Fülle von Schad- und Wertstoffen besteht.
Es werden damit Grenzen überschritten, die eine neue Herangehensweise bei der Entsorgung und Verwertung, vor allem jedoch bei der Produktion und Konsumtion erfordern. Bisher sind Vorsorgestrategien weitgehend ausgeklammert worden. Es wurden Nachsorgestrategien betrieben, und das auch nur mit einem Verwertungsgrad von maximal 40 %. Erforderlich ist heute dringender denn je aber die Vorsorge, d.h. in erster Linie die Vermeidungs strategie. Die Beherrschung des Recyclings stellt damit eine der größten Herausforderungen an Forschung und Industrie dar.
Vortrag am 13.10.2000
Joachim Oelsner (Leipzig), Ordentliches Mitglied der Philologisch-historischen Klasse:
Sie ist gefallen, sie ist gefallen, Babylon, die große Stadt – vom Ende einer Kultur
Anders als in Assyrien, wo der Zusammenbruch des Reichs mit der Aufgabe der Keilschrift und offenbar einer weitgehenden Zerstörung der Städte verbunden war, bedeutet in Babylonien das Ende der politischen Selbständigkeit keinen Bruch mit der jahrtausendealten Landeskultur. Weder der Übergang der Macht an die Achämeniden (539 v. Chr.) noch die Eroberung des Landes durch Alexander d. Gr. (331 v. Chr.) und später die Parther (141 v. Chr.) bedeutet einen kulturellen Einschnitt. Auch wenn im Laufe der Zeit im Sozial- und Wirtschaftssystem gewisse Veränderungen zu beobachten sind, bleiben die Grundstrukturen weiterhin über Jahrhunderte hinweg erhalten. Als einige wesentliche Elemente der „babylonischen“ Kultur können gelten:
- die Verwendung von Keilschrift sowie akkadischer (und sumerischer) Sprache;
- ein bestimmtes religiöses System (charakteristisches Pantheon);
- Rolle der Tempel im Sozial- und Wirtschaftssystem;
- charakteristische Formen des künstlerischen Schaffens (im Vortrag nicht behandelt).
Das Ende einer Kultur ist oft nur schwer zu erfassen. Wenn es nicht abrupt durch kriegerische Ereignisse und damit verbundene Zerstörungen erfolgt, handelt es sich in der Regel um einen längeren Prozeß.Heute kann als gesichert gelten, u.a. durch eine ständig wachsende Zahl keilschriftlicher Dokumente, daß in Südmesopotamien während der gesamten achämenidischen und seleukidischen Periode die babylonische Kultur bestimmend war. In letzterer erlebte sie sogar eine gewisse Blüte mit gewaltigen Tempelneubauten und einer hochentwickelten Astronomie, die über die Region hinaus ausstrahlte (Wirkungen etwa bei Klaudios Ptolemaios erkennbar). Eine Hellenisierung erfolgte nur in sehr begrenztem Umfang. In der Partherzeit dann, die in den Mittelpunkt gestellt wird, ist im 1. Jh. v. Chr. ein Rückgang datierbarer Texte zu erkennen.
Textüberlieferung und archäologischer Befund sind in den einzelnen babylonischen Orten unterschiedlich. Im Gebiet der Städte Babyion, Borsippa und Kutha hat sich die babylonische Kultur offenbar am längsten gehalten.Während astronomische Keilschrifttexte (darunter die im Zusammenhang der neutestamentlichen Erzählung von den „Weisen aus dem Morgenland“ immer wieder herangezogenen Beobachtungen des Jahres 7/6 v. Chr.) bis zum 1. Jh. n. Chr. seit längerem bekannt sind, haben Forschungen der jüngsten Zeit ergeben, daß Elemente der babylonischen Kultur bis zum Ende der parthischen bzw. den Beginn der sasanidischen Zeit (1. Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr.) existierten:
- die sogenannten „Graeca-Babyloniaca", d.h. Tontafeln mit Keilschrifttext auf der einen Seite und Umschrift desselben in griechische Schrift auf der anderen, können paläographisch bis ins 2., wenn nicht frühe 3. Jh. n. Chr. datiert werden;
- Hinweise auf die Existenz babylonischer Formen (z.B. Personennamen) sowie babylonischer Kulte in der antiken und jüdischen Überlieferung dieser Zeit;
- Die Erschließung bisher unbekannter mandäischer Texte hat ergeben, daß dort Material verarbeitet ist, das bis ins 2./3. Jh. n. Chr. zurückreicht und Reflexe babylonischer Götter und anderer Vorstellungen enthält. Wahrscheinlich wurden die letzten Anhänger babylonischer Kulte zum Teil von den Mandäem aufgesogen.
Seit der Mitte des 3. Jh. n. Chr. sind kaum noch direkte Hinweise auf babylonische Religion und Kultur zu finden. Dies mag mit kriegerischen Ereignissen und Maßnahmen der sasanidischen Herrscher zur Durchsetzung des zarathustrischen Glaubens in ihrem Herrschaftsbereich zusammenhängen. Außerdem sind neben den Mandäem im 2. und 3. Jh. n. Chr. weitere religiöse Richtungen wie Christentum und Manichäismus im Vordringen.Wegen der unzureichenden Quellenlage bleiben viele Fragen weiterhin unbeantwortbar. Ein Blick auf das nordmesopotamische Assur zeigt, daß dort die alten Landesgötter ebenfalls bis zur 1. Hälfte des 3. Jh. n. Chr. nachweisbar sind.
Vortrag am 13.10.2000
Roland Sauerbrey (Dresden), Ordentliches Mitglied der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse:
Hochleistungslaserphysik
Experimente zur Wechselwirkung hochintenisver (1019 W/cm2) Femtosekunden-Excimer-Laserpulse mit Materie werden beschrieben. Es wird gezeigt, daß solche Pulse Materie mit mehr als Festkörperdichte und Temperaturen im Bereich von 106 bis 107 K erzeugen. So werden Beschleunigungen von bis zu 1018 m/s2 in diesen Plasmen erreicht. Mit Hochintensitätslasern können Elektronen und Ionen beschleunigt werden. Auf einer Strecke von nur wenigen Mikrometern werden Energien im MeV-Bereich erreicht, die in Festkörpern intensive, hochenergetische Röntgenstrahlung erzeugen. Damit werden erstmals laserinduzierte Kernreaktionen möglich. Ultrakurze Röntgenimpulse werden außerdem zur zeitaufgelösten Röntgenbeugung genutzt. Potentielle Anwendungen solcher hochintensiven Laserpulse in der Trägheitsfusion, der Laserfernerkundung und der Laser-Materialbearbeitung werden diskutiert.
Vortrag am 9. Juni 2000
Egon Fanghänel (Halle), Ordentliches Mitglied der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse
Aspekte moderner Technologien aus Sicht der organischen Chemie
Heute steht den organischen Chemikern das methodische Rüstzeug zur Verfügung, einfache und komplexe Moleküle in unbegrenzter Variabilität darzustellen. Nicht trivial ist es dagegen, organische Moleküle mit vorbestimmten Eigenschaften und Funktionen zu synthetisieren. Diese Zielstellung beeinflußt derzeit die Forschung sowohl auf dem Gebiet der Darstellung biologisch wirksamer Substanzen als auch von Verbindungen mit material wissenschaftlich interessanten Eigenschaften. Beide Richtungen werden durch die supramolekulare Chemie verknüpft, die über die Phänomene „Selbstorganisation“ und „molekulare Erkennung“ eine Verbindung zu Biologie/Medizin und zukünftigen molekularen Informationstechnologien herzustellen vermag.
Für die Technologien der Informationsspeicherung, -reproduktion und -verarbeitung sind „maßgeschneiderte“ optische, elektrische und magnetische Eigenschaften organischer Verbindungen von besonderer Bedeutung. In einem Überblick werden die Wechselbeziehungen dieser Eigenschaften mit aktuellen und möglichen zukünftigen Technologien aufgezeigt, wobei hinsichtlich der optischen Eigenschaften der Lasertechnologie besonderes Gewicht zukommt.
Am Beispiel der Elektrofotografie, die als etablierte Technik in Bürokopierern und Laserdruckern überall präsent ist, werden eigene Forschungsergebnisse vorgestellt. Auf der Grundlage des Wirkprinzips wird die Entwicklung neuer Azopigmente für Ladungsträgererzeugungsschichten beschrieben. In einem Standardsystem werden diese Azopigmente als effiziente elekrofotografische Sensibilisatoren charakterisiert. Eine Widerspiegelung findet dieses Ergebnis in den großen PhotoEMK-Werten (Dember-Effekten) dieser Pigmente.
Die Synthese von neuartigen Azofarbstoffen, die im nahen Infrarot absorbieren (NIR-Farbstoffe), sollte Bedeutung für Energiewandlungsprozesse unter Verwendung von Halbleiterlasern haben.
Zielstellung für die Darstellung neuer organischer Halbleiter mit definierten starren und flexiblen Strukturelementen ist ihr Einsatz als Lochleiter in organischen Leuchtdioden (OLEDs: Organic Light Emitting Devices). Sie werden u.a. für großflächige Bildschirme entwickelt. Das Wirkprinzip der OLEDs und einige Typen neuer potentieller Lochleiter werden kurz skizziert.
Vortrag am 9. Juni 2000
Hellmut Flashar (München), Korrespondierendes Mitglied der Philologisch-historischen Klasse
Die Fragmente des Aristoteles – Probleme und Aufgaben
Die Fragmente der verlorenen Werke des Aristoteles nehmen unter allen vergleichbaren Erscheinungen in der antiken Literatur insofern eine Sonderstellung ein, als sie die von Aristoteles selbst so genannten „exoterischen Schriften“ repräsentieren, die Aristoteles für ein größeres Publikum selbst publiziert hatte, während die uns erhaltenen Pragmatien zunächst auf den Schulbetrieb beschränkt blieben und nach dem Tode des Aristoteles für mehrere Jahrhunderte nicht allgemein zugänglich waren.
Das bedeutet, daß man sich im Hellenismus ein Bild von der Philosophie des Aristoteles aus Schriften machte, die uns nicht erhalten sind. Unter ihnen sind am interessantesten, aber auch am problematischsten die Dialoge, in denen Aristoteles mit Platon und anderen Philosophen seiner Zeit in Konkurrenz getreten ist.
An einigen Beispielen wird zu zeigen versucht, wie man mit methodischer Vorsicht einen Dialog des Aristoteles rekonstruieren kann und wo die Grenzen unseres Wissens sind. Es wird sodann zu fragen sein, wie sich die exoterischen Schriften zu dem uns erhaltenen Werk des Aristoteles verhalten und inwieweit die Fragmente eine Modifikation oder Erweiterung unseres Bildes von Aristoteles bedeuten können.
Thematische Klassensitzung am 12. Mai 2000
Rundtischgespräch: Die Wertegrundlage in der Sprachwissenschaft mit folgenden Beiträgen:
A. Steube: Sprachbegriffe
L. Kreiser: Wertebegriffe in den Einzelwissenschaften
A. Steube: Gesellschaft, Begriffe, sprachliche Bedeutung
R. Růžička: Zuordnung von Sprach- und Wertbegriffen
G. Lerchner: Begriffs- und Bedeutungswandel – Sprache als kulturelles Gedächtnis
A. Neubert: Die Wertezuschreibung im Bereich der Pragmatik
B. Comrie: Identifikation von Individuum und Gemeinschaften mittels Sprache
K. Bochmann u. Falk Seiler: Sprachkonflikte und Sprachpolitik
Thematische Klassensitzung am 12. Mai 2000 (gemeinsam mit der Technikwissenschaftlichen Klasse)
Harald Arnljot Øye (Trondheim), Korrepondierendes Mitglied der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse:
Research to Prolong the Life of Aluminium Electrolysis Cells
The research project is part of a larger pro gram called EXPOMAT and later PROSMAT. The industry is responsible for planning, management and reports while the research is carried out mainly at universities and research institutions. It is funded 60 % by industry and 40 % by The Research Council of Norway. The aluminium research project has active participation of the chief executives of the industry.
The different failure modes that shorten the life of aluminium electrolysis cells have been identified and realistic test methods have been developed. The special problem of the new high amperage cells will be discussed. Finally a few very recent research results will be presented.
Vortrag am 14. April 2000
Hartmut Worch (Leipzig), Ordentliches Mitglied der Technikwissenschaftlichen Klasse
Werkstoffe in Wechselwirkung mit der belebten Materie
Mit einer steigenden Lebenserwartung der Bevölkerung gewinnt die Erhaltung der Lebensqualität bis ins hohe Alter hinein und darin eingeschlossen die Entwicklung von verbesserten Implantaten in der Medizin zunehmend an Bedeutung. Meist sind es die Folgen von chronischen Erkrankungen oder singulären Defekten im Gewebe, die durch Implantate ersetzt werden. Dazu benötigt man Werkstoffe, die entweder kurzzeitig (Temporärimplantate, z.B. Osteosyntheseplatten) oder auch dauerhaft (Langzeitimplantate, z.B. Hüftgelenksimplantate ) mit unterschiedlichem Körpergewebe im Kontakt stehen und deshalb biokompatibel sein müssen. Rückblickend betrachtet hat die Implantologie eine lange Geschichte und reicht über zweitausend Jahre zurück. Im vergangenen Jahrhundert wurden Implantate aus Werkstoffen hergestellt, deren Anwendungsgebiet ursprünglich auf ganz anderen Feldern angesiedelt war. Herausragende mechanische Eigenschaften, gepaart mit einer hohen Korrosionsbeständigkeit, ließen eine Eignung auch im klinischen Bereich erwarten. Diese empirische Herangehensweise hat in einer Reihe von Fällen befriedigende Ergebnisse gezeitigt. Es sind aber auch ausgeprägte Fremdkörper- oder Entzündungsreaktionen bis hin zu kanzerogenen Wirkungen bekannt geworden, die von bestimmten Werkstoffen ausgehen. Die überwiegende Zahl dieser Werkstoffe wird heute nicht mehr verwendet. Im letzten Jahrzehnt ist ein Paradigmenwechsel eingetreten, indem in vorbedachter Weise Werkstoffentwicklungen für diesen Anwendungsbereich vorgenommen wurden. Diese Zielstellung kann jedoch nur auf der Basis eines verbesserten Verständnisses der Wechselwirkung zwischen dem körperfremden bioverträglichen Material und dem Empfängerorganismus erreicht werden. Aufgrund des überaus komplexen Charakters der Aufgabe ist eine Wissensdisziplin allein dazu nicht in der Lage. Vielmehr bedarf es einer engen interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Werkstoffwissenschaftlern, Chemikern, Biologen und Medizinern. Eine aus diesen Disziplinen aufgebaute Forschergruppe an der TU Dresden bemüht sich darum, einen Beitrag zu dem dargestellten Problem zu leisten. Ergebnisse aus dieser Forschung sowie auch weiterer Projekte sind Gegenstand des Vortrages.
Vorgestellt wird ein modulares Modellsystem, das werkstoffseitig aus Titan und seinen Legierungen und gewebeseitig aus Kollagen besteht. Den Hintergrund für diese Auswahl bilden Implantatanwendungen im Hartgewebekontakt (Knochen). Darüber hinaus ist Titan ein bereits mit Erfolg eingeführter Biowerkstoff. Neben den rein anwendungsbezogenen Aspekten gaben den wesentlichen Ausschlag für die Wahl dieses Systems die Stabilität der jeweiligen Komponenten im biologischen Milieu sowie die mannigfaltigen Möglichkeiten, die sowohl werkstoff- als auch gewebeseitig zu ihrer Modifizierung gegeben sind. Die im Sinne von „Bioingineering“ angewendeten Methoden werden anhand von ausgewählten Beispielen dargestellt. Auf drei Forschungsfelder wird exemplarisch näher eingegangen. Im ersten besteht die Zielstellung, biokompatible Werkstoffe und Bauteile bereitzustellen, die ortsständiges Gewebe zum Wachstum anregen und spezifische Stoffwechselleistungen hervorrufen. Im zweiten stehen körperverträgliche Materialien im Mittelpunkt, die vom menschlichen Organismus rückstandsfrei abgebaut werden können, wobei das Implantat durch körpereigenes Gewebe ersetzt wird. Im dritten Feld werden Avital- Vital-Systeme vorgestellt, in denen Zellen auf Trägersystemen körperähnliche Strukturen und Gewebe aufbauen. Diese Methode ist unter dem Begriff „Tissue Engineering“ eingeführt worden. Während im zuletzt genannten Komplex noch erhebliche Anstrengungen erforderlich sind, um sie klinisch einzuführen, ist in den beiden erstgenannten aufgrund erfolgreicher Ergebnisse in absehbarer Zeit mit ersten klinischen Erprobungen zu rechnen.
Vortrag am 10. März 2000
Bernard Comrie (Leipzig), Ordentliches Mitglied der Philologisch-historischen Klasse
Sprache und Vorgeschichte
Was kann uns die Sprache über die Vorgeschichte lehren? Ich werde versuchen, sowohl ältere Erkenntnisse – die erfreulicherweise oft mit Leipzig verbunden sind als auch neuere Forschungen, einschließlich Forschungen am neuen MPI für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, zu skizzieren.
Die historisch-vergleichende Sprachwissenschaft hat uns gezeigt, daß es möglich ist, zu beweisen, daß verschiedene Sprachen von einer gemeinsamen Ursprache abstammen, wie z.B. die indogermanischen Sprachen. Manchmal führt das zu überraschenden Ergebnissen, wie z.B., wenn man feststellt, daß die madagassische Sprache der Insel Madagaskar zu der austronesischen Sprachfamilie Indonesiens und der Südsee gehört. Neuere Forschungen erhellen die manchmal komplizierten Verhältnisse unter den sogenannten kaukasischen Sprachen.
Wenn man mit Hilfe der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft gewisse Aspekte einer Ursprache rekonstruiert, kann man auch anfangen, Fragen über die Kultur zu stellen, die mit dieser Sprache verbunden war. In der Indogermanistik gibt es schon erhebliche Fortschritte auf diesem Gebiet. Aber auch andere Sprachfamilien bieten ähnliche Möglichkeiten an, z.B. gibt es plausible sprachliche Indizien, daß die Träger der Ur-Mixe-Zoque-Sprache (Mittelamerika) mit der historisch wichtigen olmekischen Kultur zu identifizieren sind.
Das Studium der Ortsnamen kann wichtige Erkenntnisse über frühere Bevölkerungen liefern; man denke z.B. an die sächsischen Ortsnamen slavischer Herkunft (wie Leipzig). Diese Methode läßt sich auch auf andere Regionen anwenden, wie z.B. wenn man verschiedene Ortsnamen aus der Ainu-Sprache im Norden Japans entdeckt oder anhand von Ortsnamen die geographische Verteilung von Sprachen im vorkolumbianischen Peru darstellen kann, einschließlich für Gebiete, wo heutzutage nur Spanisch und/oder Quechua gesprochen wird.
In letzter Zeit hat sich eine neue Disziplin als Helferin der Sprachwissenschaft erwiesen, und zwar die Genetik. Das soll zu keinen Mißverständnissen führen. Soweit wir wissen, gibt es keine Gene, die besondere linguistische Strukturen verursachen, zumindest abgesehen von pathologischen Fällen (Sprachstörungen). Gene werden biologisch, Sprachen kulturell vererbt; ein Kind erwirbt die Sprache der Gemeinde, in der es aufwächst, auch wenn das nicht die Sprache seiner biologischen Eltern ist. Man kann sogar eine Sprache wechseln, z.B. vom Sorbischen zum Deutschen, nicht aber seine Gene. Aber sowohl die modeme Genetik als auch die Sprachwissenschaft ermöglichen es, einerseits Migrationen, andererseits die Übergabe der Sprache als kulturelles Gut in der Vorgeschichte zu verfolgen; man kann weiter untersuchen, inwiefern es Korrelationen zwischen den bei den Bewegungen gibt. Interessante Beispiele, die den Zusammenhang zwischen Biologie und Sprache erhellen, sind Baskisch in den Pyrenäen, Ladinisch in den Dolomiten sowie die Sprachen der Pygmäen Zentralafrikas. Meine eigenen Untersuchungen an der Haruaisprache in Papua-Neuguinea haben, in Zusammenhang mit genetischen und ethnologischen Ergebnissen, zu einer interessanten Hypothese über die frühere Geschichte dieses kleinen Volkes (etwa 1000 Menschen) geführt.
Vortrag am 10. März 2000
Wilfried Morawetz (Leipzig), Ordentliches Mitglied der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse
Interaktionen zwischen Pflanzen und Ameisen im peruanischen Regenwald
Tropische Tieflandregenwälder zeichnen sich durch eine hohe Dichte unterschiedlicher Ameisenarten aus, die im Untersuchungsgebiet (Peru, amazonisches Tiefland bei Pucallpa, Sira-Gebirge) bis zu 700 Arten/km2 erreichen kann. Fast alle Ameisenarten sind auf irgendeine Weise mit Pflanzen assoziiert, jedoch in unterschiedlicher Weise. Bei einer Überprüfung von etwa 1000 Pflanzenarten ergab sich ein Anteil von 44 echten Myrmekophyten (4,4 %), die sich durch spezielle Anpassungen an die Ameisen auszeichnen (Futterkörper, Domatien zum Wohnen) und im Gegenzug von diesen vor Phytophagen geschützt werden und Nährstoffe einbringen. Weitere 22 Arten sind als potentielle, jedoch unbewohnt aufgefundene Myrmekophyten zu bewerten. Von den 44 echten Myrmekophyten ist der Großteil (ca. 86%) an gestörten, sekundären Stellen aufzufinden, lediglich 14 % kommen regulär im primären Wald vor. Ebenso läßt sich ein Höhengradient belegen: 66 % sind im Tiefland (260–800 m) zu Hause, nur 34 % in höheren Lagen (700–1700 m).
Innerhalb der neu gefundenen Ameisen-Pflanzen Mutualismen ist ein besonders auffälliges und gänzlich neues System bemerkenswert. Die Pflanze Tococa occidentalis beherbergt in ihren Blattdomatien eine Art der Ameisengattung Myrmelachista. T. occidentalis ist extrem lichtabhängig und braucht offene Stellen zum Gedeihen. Myrmelachista tötet daher alle in der Umgebung ihrer Wirtpflanze vorkommenden Fremdpflanzen ab, auch bis zu 20 m hohe Bäume. Dies geschieht durch Einspritzen eines hochwirksamen Herbizids in die Leitungsbahnen der attackierten Pflanzen, die bald darauf (1–3 Tage) nekrotisch werden und absterben. Die so entstehenden Monokulturen von Tococa können Hunderte m2 erreichen. Nach dem Niederbrechen der Pflanzen-/Ameisen-Population (altersbedingt/Beschattung durch größere Bäume) bleibt das Wald stück noch über Jahre hin unbesiedelt und ist der Erosion und darauf folgendem Windbruch der Umgebung ausgesetzt. Dadurch ergibt sich für den Regenwald dieser Region eine gänzlich andere Abfolge der Regeneration und des Zweitwuchses.
Vortrag am 11. Februar 2000
Heiner Lück (Halle), Ordentliches Mitglied der Philologisch-historischen Klasse
Zur Entstehung des peinlichen Strafrechts in Kursachsen – Genesis und Alternativen
Unter „peinlichem Strafrecht“ versteht die Rechtsgeschichte ein Sanktionssystem der Obrigkeit, welches auf die Verhängung und Vollstreckung von Ehren-, Verstümmelungs- und Todesstrafen als Reaktion auf schwere Rechtsverletzungen gerichtet ist. Seit langem ist bekannt, daß es diese scharfe Form der Konfliktlösung nicht immer gegeben hat. Vielmehr war das „Strafrecht“, das zunehmend an die Stelle der auf physische Vernichtung des vermeintlichen Rechtsbrechers gerichteten Fehde trat, bis zum hohen Mittelalter eher von dem Gedanken des Schadensausgleichs für das Opfer beherrscht. Diese „Sühne“ ähnelt mehr dem heutigen zivilrechtlichen Schadensersatz als dem modernen Strafrecht. Hinzu kam, daß sich niemand von Amts wegen um die Verfolgung der Rechtsverletzung kümmerte („Wo kein Kläger, da kein Richter“). Erst mit dem Aufkommen des Inquisitionsverfahrens im 12. Jahrhundert, das die Strafverfolgung ex officio ermöglichte und in der Regel eine Strafe an Leib und Leben zum Ziel hatte, wird der Trend zu einem „öffentlichen Strafrecht“ sichtbar. Die beiden großen historischen Konfliktlösungssysteme, das Bußenstrafrecht mit dem Akkusationsverfahren einerseits und das „peinliche“ Strafrecht mit dem Inquisitionsverfahren andererseits, ergänzten sich jahrhundertelang wechselseitig. Im Gebiet des sächsischen Rechts scheint sich das alte Sühneverfahren ganz besonders lange gehalten zu haben. Es beruhte im Kern auf den Regelungen des Sachsenspiegels, der im Verbund mit dem Magdeburger Stadtrecht dem eindringenden römisch-kanonischen Recht lange Zeit Widerstand leistete.
Noch bis zum Ende des 16. Jahrhunderts beherrschte die Praxis der Sühneverträge mit ihrem Schadensausgleich, dem Setzen eines Steinkreuzes und weiteren Leistungen des Täters den Rechtsalltag, ohne daß eine „Strafe“ über den Täter verhängt wurde. Kursachsen und andere Territorien des sächsischen Rechtsgebietes hatten schon 1530 auf dem Augsburger Reichstag erklärt, die im Entwurf vorliegende Constitutio Criminalis Carolina zugunsten des überkommenen heimischen Rechts nicht anzuwenden. Offenbar hatte auch der sich etablierende Territorialstaat Kursachsen früh erkannt, daß das alte Sühneverfahren für seine Finanzen vorteilhafter war als die kostenaufwendige Durchführung eines Inquisitionsprozesses von der Anzeige bis hin zur Vollstreckung des Urteils durch den Henker. Erst um die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert scheint auch in Kursachsen das „peinliche Strafrecht“ stärker an Bedeutung gewonnen zu haben. Vorausgegangen waren 1572 die Kursächsischen Konstitutionen, die als sicherer Beleg für die Aufnahme von Prinzipien und Regeln des rezipierten römisch-kanonischen Rechts in die kursächsische Rechtspraxis gelten.
Vortrag am 11. Februar 2000
Gert König (Leipzig), Ordentliches Mitglied der Technikwissenschaftlichen Klasse
Hybrides Bauen mit Hochleistungswerkstoffen – Höhere Effizienz durch geschicktes Zusammenfügen
Die Erfahrungen belegen, daß es nicht ausreicht, einzelne Stoffe zu höchster Leistungsfähigkeit weiterzuentwickeln. Erst ihr Zusammenfügen zu hybriden Baustoffen (etwa zu Faserbeton) und hybriden Bauteilen (etwa zu stahlummantelten Betondruckgliedern) bringt neuartige Chancen im Bauwesen.
Stahl- und Kunststoffasern können beispielsweise zu einem Cocktail im hochfesten Beton derart zusammengefügt werden, daß sich das Verformungsvermögen und damit die Energieaufnahmefähigkeit des ursprünglich spröden hochfesten Betons um Größenordnungen verbessert. Leichtbeton kann mit Stahlprofilblechen zu Verbunddecken verknüpft werden, so daß duktile Bauteile mit geringem Gewicht entstehen.
Verschiedene Anwendungen, wie z.B. das Commerzbank-Hochhaus in Frankfurt oder das BOCOM-Center in Shanghai, waren vor allem möglich, weil die zementgebundenen Hochleistungswerkstoffe auf einen beachtlichen Stand gebracht und neuartige Bauteilverbunde verwirklicht wurden. In den vergangenen neun Jahren wurden allein fünfzehn Hochhäuser und 1998/99 vier Brücken mit zementgebundenem Hochleistungswerkstoff in Deutschland gebaut.
Konzepte für hybrides Bauen, die Werkstoff- und Bemessungsgrundlagen, hybride Konstruktionen aus Hochleistungsbeton, neuartige Bewehrungen für Hochleistungsbetone, herausragende Pilotprojekte und Anwendungsbeispiele werden behandelt.
Weitere Forschungsanstrengungen und Entwicklungsschritte sind nötig. Die Ergebnisse werden das Bauen nachhaltig verbessern.
Vortrag am 14. Januar 2000
Ernst Ullmann (Leipzig), Ordentliches Mitglied der Philologisch-historischen Klasse:
Ein Porträt Kurfürst Friedrich des Weisen von Lucas Cranach d. Ä. und sein politisches Programm
Lukas Cranach d. Ä., Bildnis Kurfürst Friedrich III., des Weisen, mit Krone, r. o. beschriftet: „Friedrich der dritt, Churfürst und Hertzog zu Sachssen“, bez. mit dem Schlangenzeichen mit aufrechten Flügeln, 1525–1528, Öl auf Holz, 55,5 x 50,0 cm, Basel, Limacon Stiftung.
Das Porträt Friedrichs des Weisen in Halbfigur zeigt diesen in der typischen Kleidung humanistischer Gelehrter mit Pelzschaube und schwarzem Barett. Während die Linke in den Pelz greift, hält die Rechte eine Krone.
Die im Infrarotlicht sichtbaren Vorzeichnungen zeigen, daß das Porträt nach einer schablonierten Zeichnung, die vermutlich von einer der bei Cranach üblichen eigenhändigen Ölstudien abgenommen wurde, gemalt worden ist. Die Pausen sind z.T. kräftig nachgezogen, die Krone aber ist mit freier Hand vorgezeichnet. Da Cranach zweimal im Jahre die Hofkleidung zu entwerfen hatte, war er mit der Darstellung von Kleinodien vertraut.
Das Bildnis gehört zu einer Gruppe von Repliken, die von Kurfürst Johann nach Friedrichs Tod (5.5.1525) in Auftrag gegeben wurden. Einzigartig ist bei dem hier in Rede stehenden Bild die Krone, ihre freie Einfügung in die schablonierte Vorzeichnung deutet auf einen besonderen Auftrag hin. Es ist eine Mitra-Krone, deren geschmückter Kronenkörper Bezug auf die deutsche Reichskrone aus dem 10. Jahrhundert (Wien, Schatzkammer) nimmt. Abweichend von dieser bilden zwei Schalen hinter dem Kronreif eine Mitra. Die Krone gleicht jener kaiserlichen Hauskrone der Habsburger, die von den Kaisern Sigismund und Friedrich III. getragen wurde (siehe: Albrecht Dürer, Kaiser Sigismund, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum).
Das Porträt könnte eine Anspielung auf Friedrichs des Weisen Amt als einer der bei den Reichsvikare sein – und auf die Rolle, die er bei der Wahl Karls I. von Spanien als Fünfter seines Namens zum Nachfolger seines Großvaters Maximilian I. gespielt hat. Interessant wäre es, zu wissen, für wen das Bildnis vom Auftraggeber, Johann dem Beständigen, bestimmt war; eigentlich ist nur Karl V. als Empfänger denkbar. Auch die Wettiner haben Kunstwerke wiederholt als Mittel der Diplomatie benutzt.
Das Porträt, ein Gedächtnisbild und eine Ermahnung zugleich, gewinnt neben seiner künstlerischen Qualität und kunsthistorischen Bedeutung einen zusätzlichen Wert als historisches Dokument der politischen Situation im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation im dritten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts.
Vortrag am 14. Januar 2000
Dieter Höhne (Ilmenau), Ordentliches Mitglied der Technikwissenschaftlichen Klasse:
Methoden zum Entwurf innovativer Produkte
Technische Produkte müssen vor ihrer Herstellung konstruiert werden. Diese gedankliche Vorausbestimmung eines noch nicht existierenden technischen Gebildes muß so geschehen, daß auf Grundlage der dabei erarbeiteten Produktbeschreibung Fertigung, Nutzung und andere nachfolgende Prozesse eindeutig ausführbar sind. Erhebt man Anspruch, daß die zu entwerfenden Produkte nicht Plagiate oder formale Nachbildungen bereits existierender sein sollen, so gehört das Konstruieren zu jenen Tätigkeiten, die kreatives Denken erfordern und Innovationen als Resultat anstreben. Ziel der Ausführungen ist es, das Wesen der gedanklichen Tätigkeit beim Konstruieren deutlich zu machen und zu zeigen, wie innovative Lösungen entstehen können und durch welche Mittel man diesen Vorgang befördern kann.
Das Vorausbestimmen eines noch nicht existierenden technischen Gebildes geht aus von den Anforderungen, die das gewünschte Produkt erfüllen soll. Im Kern ist es die von ihm zu erfüllende Funktion. Gesucht ist eine geeignete Gestalt. Da sich jedes Produkt aus Elementen zusammensetzt, die in einem zweckdienlichen Zusammenhang stehen müssen, besteht die Aufgabe des Konstrukteurs in der Bestimmung dieser Struktur. Für die Erfüllung einer gegebenen technischen Funktion steht theoretisch eine unbegrenzte Anzahl von Strukturen bzw. Gestaltvarianten zur Verfügung. Die Lösung einer Konstruktionsaufgabe ist somit mehrdeutig, und das Auffinden der Lösungsmenge ist unbestimmt. Dieses Grundproblem des Gewinnens neuer Erkenntnisse hat Gelehrte aller Zeiten beschäftigt, und so gehen Impulse für die Konstruktionslehre u.a. auch auf Leibniz und Ostwald zurück.
Die Analyse realer Konstruktionsprozesse zeigt ein Netz verflochtener logischer, heuristischer und intuitiv ablaufender Operationen, für deren Unterstützung deskriptive und intuitiv orientierte Methoden zur Verfügung stehen. Allen ist gemeinsam, daß innovative Lösungen für ein Konstruktionsproblem nicht erzwungen, wohl aber mit höherer Wahrscheinlichkeit und Effektivität erreichbar werden, wie Beispiele aus der Praxis zeigen. Der Einsatz der modernen Rechentechnik gewinnt für diese Tätigkeiten in den frühen Phasen des Produktentwurfs an Bedeutung.
Nachdem die marktüblichen CAD-Systeme das traditionelle Zeichenbrett des Konstrukteurs ersetzt haben und die Produktdaten verarbeitungsgerecht für alle wichtigen Prozesse in den Firmen bereitstehen, konzentrieren sich die Bemühungen nun darauf, die Problemlösung zu unterstützen. Dazu gehört die Erweiterung der Produktmodellierung über die Geometrieerfassung hinaus mit dem Ziel, die gefundenen Lösungsvarianten mittels virtual Prototyping bezüglich ihrer Eigenschaften zu beurteilen und zu optimieren, so daß aufwendige Erprobungen reduziert werden. Ebenso überträgt man systematische Verfahren wie Kombination und Variation auf den Rechner, der nach diesen Prozeduren Lösungsvarianten generiert und dem Entwickler zur Auswahl anbietet. Featuretechnologie, parametrische Modellierung, virtual Prototyping und Simulation sind rechnerunterstützte Werkzeuge, die Entwickler und Konstrukteure in die Lage versetzen, ihre Ideen fundiert zu überprüfen und schneller umzusetzen.