Dokumente und vielfältige Medienobjekte zur Tanzgeschichte der DDR befinden sich vor allem in den Sammlungen des Tanzarchiv Leipzig (ehemals Tanzarchiv der DDR), die an der Universitätsbibliothek Leipzig bereits objektbezogen erschlossen wurden. Auf dieser Grundlage untersucht das Projekt an ausgewählten Beispielen, wie sich Daten zu beteiligten Personen, Institutionen, Orten und Veranstaltungen bzw. Aufführungen verknüpfen lassen, um sie besser nutzen zu können. Diese Informationen sollen durch Zeitzeugengespräche überprüft und kontextualisiert werden. So kann das persönliche Erfahrungswissen mit Ergebnissen aus früheren Forschungsprojekten und Publikationen vernetzt und recherchierbar gemacht werden. An der Sächsischen Akademie der Wissenschaften wird die dort vorhandene Forschungssoftware weiter entwickelt, um insbesondere für Forschungsdaten zu Ereignissen neue Anwendungsbereiche zu erschließen. Insgesamt wird durch das Projekt eine fachliche und digitale Methodik entwickelt, von der auch Folgeprojekte profitieren werden.
Fotos, Filme, Plakate, Programmhefte, Bücher, Zeitschriften und Manuskripte dokumentieren das Tanzschaffen der DDR mit Bezug auf Ereignisse, wie etwa Tanzfeste, Ballettwettbewerbe und einzelne Aufführungen. Die Materialien belegen zugleich, wie in der DDR der Tanz und das Tanzen dem sozialistischen Welt- und Menschenbild entsprechend geformt und instrumentalisiert werden sollten. Mitunter zeigen sich aber auch Widersprüche in der sozialistischen Kulturpolitik und im Bemühen kultureller Institutionen, diese in der Praxis umzusetzen. Von ideologischen Leitbildern und offiziellen Verlautbarungen kann jedenfalls nicht unmittelbar auf die Einstellung und das Denken der beteiligten Personen zurückgeschlossen werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass es auch im Bereich tänzerischer Praxis eine individuelle Distanz gegenüber der offiziellen Programmatik geben konnte und Deutungsspielräume für das Publikum. Für die bisher auf Einzelstudien beschränkte wissenschaftliche Forschung zum Tanz in der DDR besteht ein Desiderat in der Zusammenschau der politischen und institutionellen Rahmenbedingungen und der individuellen Äußerungen und Manifestationen der künstlerischen Praxis. Dieser Ausgangslage entsprechend hat das Projekt einen Schwerpunkt in der Durchführung von Zeitzeugengesprächen.
Expertinnen und Experten des Tanzes in der DDR werden mithilfe qualitativer Methoden der Oral-History-Forschung befragt und diese Gespräche ergänzend zu den Archivdokumenten ausgewertet. Auf der Grundlage einer an der Sächsischen Akademie der Wissenschaften entwickelten digitalen Forschungs-Infrastruktur soll ein geeignetes Datenmodell entwickelt werden, mit dem eine Vielzahl diverser Quellen erschlossen, mit Metadaten versehen und durch semantische Verknüpfung besser zugänglich gemacht werden kann. Dabei zielt das Projekt in der Erfassung von Ereignissen auch auf eine Weiterentwicklung vorhandener Datenmodelle für eine forschungsbasierte Analyse und Vermittlung des immateriellen Kulturerbes Tanz.
Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.
Verantwortlichkeiten und Projektteam
Projektleitung
Prof. Dr. Patrick Primavesi, Universität Leipzig, Institut für Theaterwissenschaft
PD Dr. Franziska Naether, Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig
Projektmitarbeitende der Universität Leipzig
Dr. Melanie Gruß, Universität Leipzig, Institut für Theaterwissenschaft
Caroline Helm, B.A., Universität Leipzig, Institut für Theaterwissenschaft
Projektmitarbeitende SAW
Philipp Sauer, Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig
Leopold Mehlhose, Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, lm32puku@studserv.uni-leipzig.de (WHK)
Erweiterte Projektgruppe:
Prof. Dr. Ralf Stabel (Experte, Interviews)
Uwe Kretschmer, Mag. art.
Projektlaufzeit:
1. August 2023 – 31. März 2026