Anita Steube: Sprachbegriffe

Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig
Palaisplatz 3
01097 Dresden

Tel.: +49 351 56 39 41 21
Fax: +49 351 56 39 41 99 21

: Wissenschaftliche Koordination

Pieter Bruegel der Ältere: Der Turmbau zu Babel, 1563. Kunsthistorisches Museum Wien

a) Sprache im Sinne von ‘Sprachfähigkeit’ wird mit N. Chomsky 1996 (deutsch): Probleme sprachlichen Wissens. Weinheim (Athenäum) als angeborene Disposition des Menschen zum Erwerb jeglicher natürlichen Sprache angesehen und parallel z.B. zu den angeborenen Dispositionen für den arteigenen aufrechten Gang des Menschen betrachtet.

‘Sprachfähigkeit’ liegt Sprache im Sinne b) zugrunde, insofern als das heranwachsende Kind aus der Sprachverwendung seiner Sprachgemeinschaft [sagen wir im einfachsten Fall: der Verwendung seiner Muttersprache] unbewußt stufenweise die Regularitäten dieser (Mutter-)Sprache findet, damit seine Disposition ausbaut und zu b) spezifiziert.

b) Sprache im Sinne von ‘Sprachkenntnis einer Einzelsprache’ als eine mögliche Spezifizierung der ‘Sprachfähigkeit’ ist die mentale Grammatik einer Einzelsprache. Sie wird bis zum schulreifen Alter erworben und stellt ein Systems aus Elementen und Kombinationsregeln dar, mit dessen Hilfe alle und nur die richtigen Sätze der Einzelsprache erzeugt und verstanden werden können. Die sprachwissenschaftliche Beschreibung zerlegt die ‘Sprachkenntnis einer Einzelsprache’ in Teilkenntnisse: das lexikalische Wissen, das semantische (= Bedeutungs-)Wissen, das syntaktische, das morphologische, das lautliche (phonologische) Wissenssystem. Wenn ‘Sprachkenntnis einer Einzelsprache’ auch als die systematische Laut-Bedeutungszurodnung dieser Sprache verstanden werden kann, übernehmen Syntax und Morphologie darin die Vermittlung zwischen Phonologie und Semantik, welche an den beiden Enden der Laut-Bedeutungszuordnung je eine Schnittstelle des sprachlichen zu nichtsprachlichen Kenntnissystemen besetzen, und zwar die phonologischen Struktuen die Schnittstelle zu akustischen bzw. artikulatorischen Strukturen, die semantischen zu begrifflichen Strukturen.

Über die Grammatik hinaus wird auch die Fähigkeit zum Erzeugen und Verstehen von kohärenten Texten dieser Einzelsprache aufgebaut, die man sich als komplexes Zusammenspiel von sprachlichen (neben dem grammatischen Wissen das Texttypen- und Genrewissen) und außersprachlichem Wissen (Sozialverhalten, Normenkenntnisse, Sachwissen, die Fähigkeit zur Situationsanalyse, etc.) vorstellen kann.

c) Sprache b) ist – zumindest im Erwachsenenalter – eine Abstraktion, denn entwickelte Sprachen mit einer sozialen Schichtung bzw. regionalen Dirreferzierung ihrer Sprecher sind ‘Systeme von Varianten von Sprachkenntnissen’: diese Sprachen zerfallen in regionale, soziale, textspezifische und stilistische Systemvarianten. Sprecher benutzen je nach Situation, Kommunikationsaufgabe und Gesprächspartner z.B. eine überregionale Umgangssprache / eine Verkehrssprache / eine geschriebene amtssprachliche oder wissenschaftssprachliche Standardvariante / etc. Kodifiziert ist im allgemeinen nur der überregionale Standard mit seinen lexikalischen Varianten entsprechend der Textart und Stilschicht. Ein überregionaler Standard muß aus der historischen Notwendigkeit heraus jeweils bewußt zu diesem gemacht und im Interesse der Sprachgemeinschaft auch gepflegt werden. Die anderen regionalen Varianten existieren weiterhin nur als mentale Grammatiken.

Die Differenzierung der Variantenkenntnis beginnt mit dem Schulalter erst richtig und hält – berufs- und interessenbedingt – ein Leben lang an. Dasselbe trifft auf den Umfang der Textrezeptions- und produktionskenntnis zu.

d) ‘Sprachkenntnis’ in Ausdifferenzierung c) ist Grundlage der tasächlichen sprachlichen Äußerungen / Texte, die jeweils kontextgebundene ‘Sprachverwendungen’ darstellen und auf dem Hintergrund dieser Kontexte (Sprecher, Hörer, Ort, Zeit der Äußerung; Interaktionsziel, Sachbezug, Medium etc.) adressatenabhängig interpretiert werden. In der konkreten Verwendung entfaltet die Sprache ihre durch die Pragmatik untersuchte kommunikative Wirkung.

Termine
„Schwarzer Schatten“, „politisches Gewissen“, „allerbeste Freunde“: Zu den Beziehungen von Werner Heisenberg (1901–1976) und Carl Friedrich von Weizsäcker (1912–2007) 28.02.2025 19:00 - 20:30 — Bibliotheca Albertina, Beethovenstraße 6, 04107 Leipzig (Vortragssaal)
Im Wörtergarten – Der karolingische Hortulus theodiscus an der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig 20.03.2025 14:15 - 15:15 — Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Karl-Tauchnitz-Straße 1, 04107 Leipzig
Vom ersten Wort – Älteste Überlieferung und neueste Forschung im Althochdeutschen Wörterbuch 20.03.2025 15:45 - 17:30 — Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Karl-Tauchnitz-Straße 1, 04107 Leipzig
Das magische Buch in der Literatur: Klischee, Realität, Projektionsfläche 20.03.2025 17:30 - 19:30 — Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Karl-Tauchnitz-Straße 1, 04107 Leipzig
Leipzig liest: Christoph Türcke – Philosophie der Musik 27.03.2025 18:00 - 19:00 — Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Karl-Tauchnitz-Straße 1, 04107 Leipzig
Leipzig liest: Thomas-Mann-Jahr 2025 – "Teufels Bruder" und "Heimweh im Paradies" 27.03.2025 20:00 - 21:00 — Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Karl-Tauchnitz-Straße 1, 04107 Leipzig
Leipzig liest: Zuhören. Die Kunst, sich der Welt zu öffnen 28.03.2025 18:00 - 19:00 — Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Karl-Tauchnitz-Straße 1, 04107 Leipzig
Denkströme

Denkströme IconDas Open Access (Online-)Journal der Sächsischen Akademie der Wissenschaften:

www.denkstroeme.de

Diffusion Fundamentals

Diffusion Fundamentals IconInterdisziplinäres Online Journal für Diffusionstheorie in Kooperation mit der Universität Leipzig:
diffusion.uni-leipzig.de

Internationale Konferenzreihe:
saw-leipzig.de/diffusion